Unter dem Stephansplatz schlummert seit fünf Jahrzehnten eine „geheime“ Kammer: ein nie genutztes Druckausgleichsbauwerk für die U-Bahnlinie U1 – ein unterirdischer Hohlraum in der Dimension von ca. 20 / 20 / 14m – fast einer unentdeckten ägyptischen Grabkammer gleich… Was für ein spezieller Ausstellungsraum könnte das sein!
Aber der oberirdische Zugang in diese „Wunderkammer“ ist momentan versperrt. Die einzige Möglichkeit, um eine Zugänglichkeit in der oberirdisch & unterirdisch (Starkstromtrasse) beengten Lage zu diesem Hohlraum zu schaffen liegt auf dem Areal der Dombauhütte zu St. Stephan, an der Nordseite des Domes. Das Gebäude der Dombauhütte selbst ist ein Provisorium aus den 1950er-Jahren, das nur noch aus Gewohnheit zu halten & zu funktionieren scheint.
Das vorliegende Konzept verknüpft die Freilegung eines Zugangs zu diesem unterirdischen „Möglichkeitsraum“ mit dem Ansatz, an der wahrscheinlich öffentlich sensibelsten Stelle von Wien eine Umwandlung des Arbeitsplatzes für die Steinmetze des Domes in eine zeitgemäße Arbeitsstätte inklusive Lagermöglichkeiten für Material / Exponate & Raum für Präsentationen zu schaffen – bei gleichzeitiger Freilegung des sechseckigen gotischen „Bischofstores“ an der Nordfassade der Kathedrale.
Herangehensweise
Wie nähert man sich einem Monument / einer identitätsstiftenden nationalen Ikone wie St. Stephan – wie geht man gleichermaßen mit dem Gebäude / der historischen Substanz auf „Tuchfühlung“ – ohne den zeitgenössischen Ansatz zu verleugnen?
Der Schlüssel zur Lösung der Aufgabe liegt in den der Kathedrale innewohnenden Konstruktionsprinzipien der Gotik selbst: Das Prinzip des Sechsecks findet sich sowohl in der Rosette über dem Haupttor als auch in der Ausformulierung der Nebentore als Annex- & Übergangsräume entlang der Seitenfassaden.
Eine quasi mineralische Grundfigur –Beispielen magmatischen Ursprungs (aus der Tiefe der Erde kommend) der Natur entnommen – verbindet sich so mit den geometrisch hergeleiteten Formen der Gotik zu einer dynamischen Hüllfläche in direkter Nachbarschaft des Domes und „verschmilzt“ so zu einem harmonisch gewachsenen Ganzen über den Lauf der Jahrhunderte.
Jede Generation knüpft so einige Fäden weiter an dem großen Teppich / dem Gesamtkunstwerk des Stephansdomes.
Studie/ Konzept
1010 Wien, AT
privat
2017/2018
ca. 1.600 m²
Clemens Kirsch, Sarah Raiger, Werner Scheuringer
janusch